10. Oktober 2017

Im Flugzeug in Köln nach Hamburg

Muss man eigentlich alles verstehen, was so passiert? Kann man alles kontrollieren?!
Kann es immer perfekt sein?!

In den letzten Tagen sind diese Fragen immer und immer wieder aufgetaucht…
Bei Schülern, bei Projekten, Filmen und auch in meinem Leben!

…und genau in diesem Moment, wo ich begonnen habe, diesen Blog zu schreiben, kommt eine Durchsage vom Kapitän:

“Liebe Fluggäste, wie sie merken, werden wir gerade zurück auf unsere Parkposition gezogen. Es gibt technische Probleme und wir müssen auf die Inspektion der Techniker warten! Der Abflug wird sich leider verzögern!”

Kein Witz!!! Wie passend!

Könnte mich jetzt ärgern, denn die ohnehin schon kurze Nacht in Hamburg wird nun wahrscheinlich noch kürzer werden. Ein 11-stündiges Fotoshoot wartet morgen auf mich und ein wenig Entspannung oder viel Schlaf könnten der Optik und dem Körper ganz gut tun…

ABER ich ärgere mich nicht, denn ich werde es ja doch nicht ändern und genau um dieses Thema soll es ja diese Woche gehen: Annehmen.

Was ich damit meine ist, dass man alles gut vorbereiten kann und auch sollte, Fehler gewissenhaft vermeiden und sich dazu noch im positiven Denken und in einer guten Organisation üben sollte, aber DANN muss man es auch abgeben.
Lufthansa hat mit Sicherheit gute Flugzeug und eine gute Wartung und TROTZDEM passiert sowas.

Ob man es denn versteht oder nicht!
Wer weiß, wovor es mich bewahrt?!

Man kann eben nicht alles verstehen!

Auf die Frage, was ich tue, wenn ich mit den Entscheidungen anderer hardere oder die Gefahr besteht, deshalb zu frustrieren, antwortete ich diese Woche und Gott sei Dank mittlerweile generell: “Ich übe mich im Nichtverstehen und hole mir Hilfe!”

Einer von diesen Hilfen ist zum Beispiel der Film “5 Menschen, die dir im Himmel begegnen werden” – hier bekommt man die Denkanstöße zu allem weltlichen Geschehen und den Ungereimtheiten, die das Leben uns bietet und der Film zeigt aus der “Nach-dem-Leben-Perspektive”, wie das ein oder andere einschneidende Erlebnis einer jeweiligen Biografie mit dem Gesamtgeschehen zusammenhängt.

Quasi welcher „Pups im Weltall“ für das, was ich gerade durchleben muss, verantwortlich ist!

Er bietet zumindest eine Option für das WARUM, das mich früher und natürlich auch heute immer zwischendurch und alle so aufreibt.
Und diese eine aufgezeigte mögliche Option tut mir oft so gut, dass ich Dinge nicht mehr anzweifeln muss. Ich kann es hinnehmen, auch, wenn es nicht immer leicht ist! Ich versuche seit dem Film von oben aus der Vogelperspektive zu schauen. Hilft!

An alle, die sich im Loslassen schwer tun: Schaut euch den Film unbedingt mal an!
Es funktioniert!

Mittlerweile stehen wir und müssen in ein neues Flugzeug umsteigen!
Dann ist das eben so…

Besser als alles, was passieren könnte, wenn hier an Bord was nicht stimmt!
UND: Nicht selten bieten solche Umstände die schönsten Anekdoten!
So oft hatte ich schon großartige Erlebnisse und Begegnungen wegen Vorkommnissen wie diesen!

Der Ganze Druck zu Reibungslosigkeit und zur Perfektion der treibt den Menschen in Gefilde, wo es so schnell keinen Ausweg gibt! Genau von diesem Phänomen erfährt man jeden Tag.

Die Menschen mit den kleinsten offensichtlichen Makeln haben oft große Probleme mit sich oder ihren Talenten.
Alle halten sich bewusst klein oder wurden stets klein gehalten.
Das Annehmen von Fehlern und eben diesen Widrigkeiten ist für viele Perfektionisten ausgeschlossen, auch wenn die gesamte positive Energie dabei zu sterben scheint!
Wieder andere leiden manchmal sogar unter ihren Talenten und wollen deshalb gar nicht den Schritt aus dem eigenen Schatten machen. Zu groß die Angst davor, nicht perfekt, hipp, schlank, gut, oder was auch immer zu sein und sich so zu offenbaren. Ein komischer Trend, aber verständlich in den heutigen Zeiten. Denn wie soll sich ein Normalsterblicher normal fühlen, wenn Tomaten, die nicht aussehen, wie im Bilderbuch, im Supermarkt nicht verkauft werden dürfen, weil sie nicht exakt dem Vorbild entsprechen.

Am leichtesten ist es, sich eine Sache immer wieder bewusst zu machen:
Perfekt ist nichts und perfekt ist auch nix!

Ein lieber Freund, gleichzeitig ein langjähriger Teil meines Teams, erzählte mir heute dazu eine tolle Anekdote, die mir den finalen Anstoß für all das hier gegeben hat.

In Japan gibt es unter schaffenden Künstlern ein ungeschriebenes Gesetz – einen Ehrenkodex, an den sich jeder hält, obwohl die japanische Gesellschaft mit ihrer Kultur ziemlich perfektionistisch veranlagt ist.
Hier kommt er:

Nichts kann perfekt sein, denn Perfektion ist anmaßend und ein göttliches Privileg, der man nur entgegenstreben, sie aber nicht erreichen kann.

Und ist beispielsweise eine Keramik doch “perfekt” geworden, drückt sein Erzeuger ihm mit dem Finger einen Abruck – quasi eine kleine Macke – hinein. Bei Tassen beispielsweise von unten auf den Boden.

Schön, oder?! Es ist also gut, ihr entgegenzuarbeiten und sein Bestes zu geben, aber damit ist es dann auch gut!
Wir sollten mit Sicherheit so gut aussehen, wie wir es eben können, sollten das Optimum aus uns rausholen, nach dem Höheren streben und unser Potenzial vollstens ausschöpfen, aber dann annehmen und passieren lassen.

Wenn also in dem einen oder anderen Leben, an dem einen oder anderen Tag oder Geburtstagen, Hochzeiten oder wichtigen Momenten eine “kleine Macke” oder mit großer Wahrscheinlichkeit sogar mehrere Dinge passiert sind, die so nicht vorgesehen waren und das, obwohl wir so gestrampelt haben, dann ist eigentlich alles gut und normal!

Dann können wir an die japanische Künstlerszene denken und uns beruhigen.

Dann freuen wir uns, wenn wir irgendwann nach all dem hier auf der Erde den “Pups im Weltall” verstehen, der zu diesem oder jenem Punkt im Leben – sei es ein tiefes Tal oder das Erklimmen des Gipfels – beigetragen hat.
Erst dann ist wohl alles perfekt!

Habt eine gute Zeit und freut euch über eure Macken im Tassenboden!
Bis nächste Woche,
Euer Gerrit