Hallo da draußen! Hallo Berlin! Hallo Hamburg! Hallo München! Hallo ihr alle in der Welt!
Wie geht es euch?
Wenn ich gefragt werde, dann antworte ich so gut wie immer mit einem „Mir geht es wirklich gut, aber ich spüre, dass es vielen Menschen um mich herum nicht gut geht und das macht natürlich auch was mit mir!“
So viel Egoismus, so viel Kampf, so viel Zwietracht, so viel „Hauen und Stechen“, so viel „Aua“ in der Welt! Trotz der guten Menschen da draußen, trotz der „wahren Helden“, trotz guter Absichten vieler, trotz der Wahl von Joe Biden und Kamala Harris in den USA und trotz der eigentlich so schönen und friedvollen Weihnachtszeit.
Wir nehmen uns gegenseitig diese so besinnliche Zeit des Wunden-Leckens und der Mitmenschlichkeit, die wir eigentlich alle so dringend benötigen nach einem solchen Jahr.
Nach diesem Corona – Covid 19 – Pandemie – Jahr!
Meine theologische Kollegin und die wohl bekannteste Theologin des Landes, Margot Käßmann, formulierte erst kürzlich in der Süddeutschen Zeitung, dass sie sich Sorgen um Weihnachten mache. Weihnachten würde durch die Lage „mit Ansprüchen überladen“ werden, das Fest der Liebe würde zu einem Stichtag der Infektionszahlen heranreifen, dazu der immerwährende und alljährliche Glaube, dass nun alles besonders „harmonisch“ laufen müsse und das würde dem christlichen Grundgedanken und unseren gesellschaftlichen Werten nicht gut tun.
Ich gebe ihr Recht!
Die Botschaft von Weihnachten sei „Fürchtet euch nicht!“, denn glaubt man den Schriften, wurde uns die Hoffnung der Menschheit in der Form eines Mannes – dem Sohne Gottes – in eine Futterkrippe gelegt. Genug Beweis dafür, dass es nichts allmächtig Wirkendes und Prunkvolles braucht, um die Menschheit zu retten, sondern lediglich ein Baby in einem Stall und den Glauben an ihn und an das große Ungewisse.
Hoffnung wurde uns geschenkt, weil Gott sich in Form seines Sohnes zu uns gesellt hat und eine Hoffnung für jeden sein wollte. Für Schafhirten und Könige gleichermaßen. Diese Hoffnungen scheinen ganz schön zu schwinden, schaut man sich so um.
Aber:
Es ist nicht die Konsequenz dieser Pandemie, dass wir hoffnungslos sind und drohen in den Ängsten und Sorgen zu ertrinken, sondern diese Pandemie hat diese Ängste, Sorgen und Hoffnungslosigkeit erst freigelegt. Das ist die Botschaft, die ich diese Woche in der Kirche von Pastor David Martins gehört habe und sie hat mich zutiefst beeindruckt. Angesichts der Lage, in der wir uns befinden und angesichts der Tatsache, dass jeden Tag so viele Menschen bei mir sind und zu mir kommen, bei denen diese starke Hoffnungslosigkeit zu spüren ist, kann ich diese These nur unterstreichen, denn ein Virus
kann all das schlicht und einfach nur durch sein bloßes Dasein in nur einem Jahr nicht erreichen. Er kann tatsächlich nur unterstützen und herausfordern, was vorher bereits im Umlauf war. Ängste und Sorgen, Traumata und falsche Vorstellungen, falsche zwischenmenschliche Konstellationen, der fehlende Mut, die fehlenden Ziele und Werte im Leben und die fehlende Selbstliebe haben nun einfach mehr Raum bekommen, um sich zu entfalten. Es fehlen die Konzertbesuche, die Kinobesuche, die Konzerte, die privaten Feiern, die Clubs, die Parties und die endlosen Shoppingtrips, die uns berechtigterweise abgehen, uns aber dennoch oft in eine Scheinwelt entführen, in die wir uns nur zu gerne flüchten. Sie zerstreuen uns und das ist ja auch gewünscht, denn wer will im Kino bei einem guten Marvel-Streifen an seine Alltagssorgen denken? Wer will keine Auszeit von den großen Fragen des Lebens? Wer will nicht einfach sorglos die Nacht mal wieder durchtanzen? WAHRSCHEINLICH fehlt es fast JEDEM von uns. Aber jetzt ist halt die Zeit, wie sie nun einmal ist, deshalb merke ich für mich und um mich herum, dass einige Menschen sich dafür entscheiden, den Kampf gegen das Ungewisse aufzugeben und stattdessen lieber vor der eigenen Haustüre kehren. Jetzt ist die Zeit!!! Zu leicht ist es sonst durch all diesen Streuverlust und diese lieb gewonnenen Abwechslungen vor seinem eigenen Leben davonzulaufen und sich anzugucken, was tatsächlich übrig ist, wenn alles so Selbstverständliche auf einmal wegbricht. Bei vielen tut sich dann das große Loch der Sinnhaftigkeit auf. Man fragt sich und beschäftigt sich mit eben diesen großen Fragen des Lebens. Wer bin ich? Was ist mir wichtig? Warum bin ich hier? Wer will ich sein? Ist das das Leben, das ich leben wollte? Man kann sich auf den langen Weg hin zu den Antworten machen, weil man sich mit vielen von ihnen zum ersten Mal konfrontiert sieht. Gleichzeitig will einfach nur fast jeder so schnell wie es geht eine Impfung bekommen, um dem ganzen persönlichen Fragen-Sturm dann doch noch zu entkommen. Nicht falsch verstehen: Es ist wichtig, dass wir eine Impfung bekommen, damit die Welt wieder aufatmen kann, damit wir wieder loslegen können, aber was ich sagen will ist, dass dieser Wirkstoff nicht diese Hoffnungslosigkeit verschwinden lassen wird.
Die Fragen werden bleiben. Die Lücken der fehlenden Antworten bleiben. Das Loch im Herzen bleibt. Die Hoffnungslosigkeit und der fehlende Glauben bleibt. Die Lücke fehlender Werte und Überzeugungen, von fehlendem Idealismus bleibt.
Dass wir alle traurig darüber sind, in unseren persönlichen Freiheiten und *Grundrechten beschnitten* zu sein, steht außer Frage, nichts desto trotz bemerke ich, dass es zwei unterschiedliche Arten gibt, damit umzugehen, denn wenn während die einen sich eben darum kümmern, sich möglichst lang mit dem Kampf gegen Restriktionen und Veränderungen zu beschäftigen, nutzen die anderen die Zeit mit sich selbst und versuchen so die Antworten zu finden, die Löcher zu schließen, Wunden heilen zu lassen, mit dem Vergangenen abzuschließen und weiterzukommen auf der Reise zu sich selbst. Im Verloren-Sein der Hoffnungslosigkeit, in jeder Angst, in jeder Sorge und in jedem Mangel liegt nämlich immer die Antwort. Sie ist irgendwo darunter, in uns zu finden.
Die wahre Pandemie ist die Hoffnungslosigkeit einer Gesellschaft, die sich nicht erinnern will, die sich nicht auf ihre Werte besinnt, sich nicht ändern will, sondern nach dem Außen, nach dem großen Ego, sucht. Im Inneren fehlt uns aber eigentlich nichts, auch wenn uns im außen einiges genommen wurde. Zumindest nichts, was vorher nicht auch schon fehlte. Alles was wir bräuchten, könnten wir suchen und finden, wenn wir denn wollten. Eine Aneinanderreihung von Konjunktiven und es geht weiter. Es ist, was uns die Pandemie offenbart. So könnten wir versuchen, endlich das halb leere Glas im Inneren zu füllen und uns orientieren. Neu-Orientierung. Am besten verhelfen wir sogar anderen dabei, sich zu orientieren. Das hilft unserer eigenen Orientierung.
Es geht darum, sich neu auszurichten, anzunehmen, loszulassen und weiterzumachen. Es geht darum, die beste Version von sich selbst zu werden, Potenziale zu nutzen und zu wachsen. Zu wachsen, indem man Mut hat, das Tal zu durchschreiten und seine Schwächen kennenzulernen, seinen Mangel zu spüren. Sich und seine Narben zu sehen und lieben zu lernen und anzuerkennen mit ihnen zu leben und sie in Stärke umzukehren. Denn unsere Narben sind unsere Stärken. Es geht um Wahrheit. Ehrlich sein. Jedes Scheitern im Leben brachte immer neue Kraft, Persönlichkeitswachstum und neue Möglichkeiten hervor. Ein Segen, der nicht gleich zu erkennen, im Rückblick aber immer offensichtlich ist.
Jetzt sind wir dran – jeder für sich – hinzugucken, statt uns aufzuregen, aktiv zu werden statt abzuwarten, zu heilen statt nur zu impfen und zu wachsen statt in Angst zu verkümmern und hinzusehen statt wie ein kleines Kind zu leugnen und mit den Füßen auf dem Boden zu stampfen.
Mehr Menschen denn je kommen jeden Tag zu mir, um sich dem „Ist“ zu stellen, um ihre Zukunft zu ändern. Alles beginnt mit einem neuen Bewusstsein und dem Erkennen und dem anschließenden Verlautbaren der Wahrheit. Und wieder ist es die Stimme, die den hörbaren Anfang macht!
Auch, wenn wir das große Ganze gerade nicht ändern können, kann das Kollektiv sich darum kümmern sich um sich zu kümmern. Jeder einzelne kann auf sich schauen, in den Spiegel schauen, die Wahrheit erkennen, Dinge ändern und etwas beitragen. Dann brauchen wir uns gewiss nicht zu fürchten, denn: Am Ende wird alles gut und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es eben auch noch nicht das Ende!
Ich wünsche euch eine wunderschöne Weihnachtszeit, passt auf euch auf, hört in euch hinein und bleibt hoffnungsvoll für ein neues „Irgendwann“!
Euer Gerrit
PS: Mit ein paar STARKEN STIMMEN aus Köln habe ich versucht, diese Hoffnung zu verbreiten, klickt euch doch mal rein: